Graetz im Dritten Reich
Nach zahlreichen Überseereisen und Auslandsaufenthalten (Holland, Frankreich, Monaco, Indonesien, Spanien) seit dem ersten Weltkrieg, bereitete der 58jährige hemmungslose Individualist Graetz seine nächste Expedition nach Zentral-Afrika vor, um eine Goldmine aufzubauen. Er gab dazu vor, Hinweise zum sagen-haften Goldland Ophir zu haben.
Der Hitlerismus war ihm dabei stets suspekt, er war kaisertreu, was ihn immunisierte, da tritt man nicht in eine schnöde Partei oder Massenorganisation ein.
Seine Meldeadressen waren Potsdam-Babelsberg und Dresden, aber als barocker Genussmensch hielt er sich als Reisender immer noch gerne in Luxushotels auf.
Damit die Firmengründung für englisches Kolonialgebiet nicht auffiel, plante er, ein Komitee zu gründen.
Stempel gab es schon, aber nicht viele Mitstreiter.
Anfang 1937 war gemäß seinen Aussagen die Expedition startklar, als die Gestapo ihm im Esplanade Hotel (Bellevuestraße 16-18a Berlin Tiergarten) den Auslandspass abnahm. Danach wurde Graetz polizeilich ohne sein Wissen überwacht.
Das Grand Hotel Esplanade am Potsdamer Platz gehörte vor und während der "Goldenen Zwanziger“ zu den berühmtesten Hotels in Berlin. Das Hotel war in der Zeit der Weimarer Republik vor allem bei Anhängern der Monarchie beliebt; die Betreiber weigerten sich mit Rücksicht auf ihre Gäste, die Schwarz-Rot-Gold Flagge der Republik zu hissen.
In der Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945) wurde es von den Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei-Größen eher gemieden; Albert Speer kündigte 1941 sogar den Abriss an.
Vor dem Attentat vom 20.Juli 1944 trafen sich die Verschwörer mehrfach im Hotel Esplanade und sie warteten hier auch den Ausgang des Anschlags ab.
Es wurde im Zweiten Weltkrieg bei einem Luftangriff der Alliierten weitgehend zerstört. Ein kleiner Teil ist heute in das Center am Potsdamer Platz -ehemals Sony Center- integriert. Der Kaisersaal mit seinen 1300 Tonnen Gewicht wurde in einem komplizierten Verfahren um 76 Meter verschoben, um die Verbreiterung der Potsdamer Straße für das geänderte Verkehrsaufkommen zu ermöglichen. Der Frühstücksraum ist in etwa 500 Teile zerlegt worden und später mit dem verschobenen Kaisersaal an neuer Stelle im Sony-Center wieder aufgebaut worden.
Am 02. Juni 1937 wurde der 61jährige Graetz nach Denunziation einer externen Meldestelle für Vorfälle unterhalb der Strafbarkeitsgrenze „wir bekämen eine neue Regierung“, frühmorgens verhaftet und in das Polizei-Gefängnis am Alexanderplatz abgeführt. Nach einigen Nächten wurde er vom Gefängnisarzt haftuntauglich geschrieben „Graetz, der Afrikaforscher? Warten Sie, morgen sind Sie draußen“ und entlassen.
In der Haft schrieb er ein Gedicht.
Gemäß seiner Selbstdarstellung stilisiert er sich im nachhinein sogar als "Opfer des Faschismus", was man aus der Fremdbetrachtung so nicht sehen muss. Es war halt gerade opportunistisch und der Sprachgebrauch seiner Zeit.
Das erwähnte Buch ist dann tatsächlich 1949 erschienen und wird im Blog ein anderes Mal besprochen.
Neue Bücher
Danach hielt sich der Opportunist Graetz eine zeitlang zurück mit seinen Äußerungen und er erhielt von der Reichschriftumskammer die Erlaubnis, ein weiteres (Abenteuer) - Buch zu veröffentlichen. Zuviel "Kolonialgedöns" von Graetz durfte da aber nicht drin sein.
Das Dritte Reich war am Lebensraum im Osten interessiert und nicht ernsthaft an Afrika.
Graetz, Paul: Buntes Erleben in drei Erdteilen, Deutscher Verlag, Berlin 1938 .
"Erich Kußmann mit Weidmannsheil gewidmet." Kußmann machte auch das Photo vom Graetz – Mobil auf dem Kaiserpreisrennen 1907.
Später im Krieg sind dann noch mehrere Auflagen vom Buch "Büffelkampf" in verschiedenen Ausstattungen in Reihen der Kinderbuchliteratur erschienen:
Graetz, Paul: Mein Büffelkampf. Abenteuer in Afrika. Karl Siegismund Verlag, Berlin Softcover + Hardcover Ausgaben 1 Auflage 1939, 2. Auflage 1941 Auflage wegen Papierknappheit nur 6000 Exemplare
Graetz, Paul: Mein Büffelkampf. Abenteuer in Afrika. 1943 Franz Müller Verlag, Dresden Schwarze Hardcover Ausgabe 3. Auflage 1943, 4. + 5. Auflage 1944
Der Buchtitel ironisiert das "Mein Kampf" von einem anderen zeitgenössischen Autor.
Graetz hat in dieser Zeit - wie auch schon in den zwanziger Jahren - häufig im Alten Hotel Adlon (das Zimmer am Aufgang neben dem Speisesaal ) und auch im Hotel Fürstenhof gewohnt.
Die nationalsozialistische Prominenz wählte das Kaiserhof in der Wilhelmstraße und nicht das Adlon als neuen Treffpunkt der SS-Generäle und als Hauptausrichtungsort für Festlichkeiten; Historiker gehen davon aus, dass die Atmosphäre des Hauses zu weltoffen und zu international war und so nicht zu dem „Deutschtum-Fanatismus“ passte.
Den Krieg unbeschadet überstanden, brannte das Adlon im Nachgang zum 2. Weltkrieg durch plündernde Rotarmisten bis auf einen Seitenflügel ab. Die Reste wurden 1952 beseitigt. Der ostzonale Seitenflügel wurde von einem DDR Hotel genutzt. Vorsorglich wurden ab 1961 die Fenster in Richtung Westen zugemauert.
1995-1997 entstand ein historisierender Neubau an Stelle des alten Hotelkomplexes, der bereits weimal erweitert wurde.
Pächter des Hotels ist seit September 1997 die Hotel Adlon GmbH, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Kempinski AG.
Buchungsadresse.
Das Hotel Fürstenhof wurde im November 1943 durch einen britischen Bombenabwurf beschädigt und die Ruine in den 50er Jahren abgerissen.
Durch sein weltgewandtes Lebemann-Leben hatte er immer noch einen riesigen Bekanntenkreis. Der Komponist der Dreigroschenoper Kurt Weill gehörte Anfang der 30er Jahre bis zum Gang ins Exil dazu, Sportreporter, Zeppelinfahrer.
Die neuen Bücher gaben ihm zahlreich Gelegenheit für Signaturen und Widmungen.
Dritte Hochzeit und privates Glück
"Paul Graetz war braungebrannt, konnte gut erzählen und alle anderen Männer waren an der Front" erzählte mir Frau Wally Graetz, wie sie ihn am Wannsee kennengelernt hat. Sie selbst war Journalistin und hat am Orientalischen Institut Kisuaheli gelernt, da Rommel ja bis ganz tief nach Afrika reinstoßen wird und dann wieder Leute gebraucht werden, die die ostafrikanische lingua franca beherrschen.
Sie ist im Berliner Stadtteil Friedrichshain aufgewachsen, so das man sich häufiger am Märchenbrunnen für ein Techtelmöchtel traf.
Dann war man sich einig.
11.01.1941: Hochzeit mit Frau Wally als 3. Ehefrau (geboren Pods am 08.07.1916, gestorben am 06.04.2001, evangelisch) am Standesamt Potsdam-Babelsberg in der Rudolf-Breitscheid-Straße 14.
Paul Graetz hat alle seine 3 Frauen im gleichen Standesamt geehelicht. Er kannte dort Ein- und Ausgang.
Nach der Trauung: Schneefall, S-Bahn fuhr nicht, Graetz stellt sich auf Straße und hält Wagen mit Standarte an. Es war das Fahrzeug von General von Rabenau. (Der 1944 von der Gestapo verhaftet, in verschiedene Konzentrationslager überstellt und kurz vor Kriegsende im KZ Flossenbürg erschossen wurde)
„Ich bin Paul Graetz, der Afrikaforscher und ich muß jetzt heiraten“. Der lässt beide hinten einsteigen, setzt sich nach vorne. Fahrt durch das Nauener Tor bei Potsdam. Durch die Mitte dürfen nur Generale und der Führer. Fahrt durch die Mitte des Tores.
„Ich kann Sie leider nur bis zum Bahnhof bringen, da Führerbesprechung in Berlin.“
Hochzeitsmahl in Gaststätte Waldfrieden. Man war auch oft in Nikolskoe, bekanntes Restaurant bei der St.Peter und Paul Kirche, wo man auch heute noch gut speisen kann. Anmeldeseite dazu.
Man verbrachte einen Kurz(Liebes)-Urlaub im Dresden im alten Hotel Bellevue.
Dieses Hotel hat den zweiten Weltkrieg als wiederaufbaufähige Ruine überlebt. Wurde dann aber 1951 in einer „Nacht- und Nebelaktion“, da die sozialistischen Machthaber den Bau als „großbürgerliches Hotel des Klassengegners“ eingestuft hatten, gesprengt.
Auf der gegenüberliegenden Seite wurde dann ein neues Bellevue Hotel aufgebaut, welches heute als Bilderberg Bellevue Hotel Dresden firmiert Buchungsadresse.
Pünktlich 9 Monate später:
12.01.1942: Geburt der Tochter Uta.
Paul Graetz wird im Alter von 66 Jahren Vater, seine Frau Wally Graetz im Alter von 25 Jahren Mutter.
Vorträge
Natürlich wollte Graetz auch noch mit seinen Dia-Vorträgen und seinem auf das neue 32mm Format umkopierten Sarotti - Expeditionsfilm von der Motorboottour autark auf "Tournee" gehen und seine Rente aufbessern.
Dabei hat er allerdings unterschätzt, dass sich in den Kriegsjahren keiner mehr für seine "ollen Kamellen" interessierte. Nichtsdestotrotz suchte er um eine Genehmigung ein, die erst einmal abgelehnt wurde, da Graetz sich "wiederholt rednerische Entgleisungen zuschulden kommen" ließ, sprich, bei diesen Gelegenheiten gegen die Nazis wetterte. Daher hatte er vorerst Auftrittsverbot.
Er ließ aber nicht locker und reichte eine Inhaltsangabe seines geplanten Vortrages nach einigen Rücksprachen ein.
Kontaktadresse wieder mal ein Luxushotel, Hotel Westminster-Astoria
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Hier die Vortragsbeschreibung von ihm
Letztendlich entschied man, dass Graetz als Abenteuer-Erzähler einzustufen ist, und ließ ihn gewähren und bespitzelte ihn weiter.
09.02.1943 Vortrag Auto und Motorboot in Salzburg im Mozarteum
29.06.1943 Vortrag in Güstrow
Bombennächte von Dresden 13. bis 15. Februar 1945
Frau Graetz erzählte mir: Dresden wurde nicht als Bombenziel angesehen, weil Churchill 2 x in Dresden war.
Man erhielt aber eine Warnung durch Freunde in der Wäscherei. Feuerfeste Stahlkassetten wurden besorgt, noch die letzten Bücher verschenkt, Die "Tannenbäume" der ersten Bomber hat man noch gesehen, dann ist man in den Keller des Privathauses in Langebrück gegangen.
1945: Graetz Paul : Vom Kongo bis Sumatra - Gute Freundschaft in Übersee
geschrieben Mai – Okt 1945, erschienen Wolfenbütteler Verlagsanstalt GmbH 1949
Familie Graetz 1950
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